findtheflow ... von pferdemensch zu pferdemensch

WELCHEN STELLENWERT HAT DER TRAB IN DEN ARBEITSREITWEISEN?

Um die Frage zu beantworten müssen wir uns erst einmal Gedanken machen um welche Art Arbeit es sich handelt,

Gehen wir von der Arbeit am Rind aus, müssen wir überlegen um welche Art Rinder es sich handelt und welche Tradition der jeweiligen Arbeistreitweise zu Grunde liegt.
Der Ursprung der Arbeistreiterei ist das Kriegspferd vor Erfindung der Schusswaffe, welches im Kampf Reiter gegen Reiter einhändig im Galopp geführt wurde.

Ein Pferd mit einem schlechten Galopp wurde zu früheren Zeiten erst gar nicht in die Ausbildung genommen, bzw. orientierte sich die Zucht an einer guten Galoppade und hoher Versammlungsbereitschaft.
Mit der Erfindung der Schusswaffe und der Änderung der Anforderungen wurde das Pferd zum Transportmittel, welches die Soldaten lediglich von A nach B transportieren musste. Der Kampf zu Pferde verlor zunehmend an Relevanz und verschwand fast gänzlich. Es wurde vermehrt auf die „Transportgangart“ Trab gezüchtet, was sich bis heute in die moderne Dressur fortgesetzt hat.
Sehen wir uns die Arbeitreiterei in Europa an, wie sie z. B. auf der iberischen Halbinsel, in Frankreich oder Italien praktiziert wurde und wird, so fällt auf, dass die zu arbeitenden Rinder meist sehr ursprünglich und deutlich aggressiv sind. Es wird also ein Pferd benötigt, welches in höchster Versammlung auf den Punkt agieren und blitzschnell ausweichen kann und dabei extrem wendig ist. All diese Vorteile bietet der Galopp, bei dem das Pferd sowohl auf der Stelle (bei guter Ausbildung und entsprechender Eignung sogar rückwärts) bewegt werden, blitzschnell ausweichen oder auch im schnellen Tempo fliehen kann. Die Doma Vaquero als Adaption der iberischen Reitweise in der Dressur beinhaltet so auch ausschliesslich Schritt und Galopp und auch im berittenen Stierkampf werden die Pferde fast nur im Galopp bewegt. Nichtsdestotrotz macht es natürlich Sinn, das Pferd auch im Trab zu gymnastizieren, um diese Versammlungsbereitschaft zu schulen und zu erreichen und so ist gerade die Piaff eine der Schlüssellektionen der iberischen Reiterei, wenngleich sie in der Arbeit am Rind nicht angewendet wird. Allerdings bietet meiner Meinung nach die Arbeit im Schritt die beste Basis zur Verbesserung des Galopp bei klassisch iberisch gezogenen Pferden. Anders verhält sich dies bei Warmblütern, die, als auf Trab gezüchtete Pferde, mit viel Schwung und Schub meist im Trab die besten Möglichkeiten bieten den Galopp zu verbessern.
In den USA hat sich mit der Zucht der Rinder auch die Reiterei geändert. In der traditionellen altkalifornischen Reiterei wird und wurde ebenfalls viel Wert auf den Galopp gelegt und auch die Manöver am Rind wurden meist im Galopp geritten, da es sich ebenfalls um Rinder der iberischen Halbinsel handelte – böse Zungen nennen den altkalifornischen, im Galopp gesprungenen „Spin“ heute Hoparound. Mit der Zucht der Rinder hin in Richtung umgänglicherer Rassen änderte sich auch die Reiterei, so dass heute z.B. gerade die Wendungen im Trabtakt geritten werden, wodurch diese zwar schneller sind, aber das Pferd auch „offener“ ist und weniger schnell aus der Situation bewegt werden kann.
Die Arbeit auf den Ranches am Rind findet heute vorwiegend im Schritt und Trab statt um möglichst wenig Energie in die Rinderherde zu bringen und diese nicht unnötig aufzuregen, so dass eine kontrolliertere Arbeit möglich ist.

Meiner Meinung nach ist es unumgänglich, ein Pferd in allen Gangarten zu schulen, um es bestmöglich auszubilden. Die Grundgangarten bedingen und verbessern sich gegenseitig und es ist die Aufgabe des Ausbilders zu erkennen, in wie fern diese zur gegenseitigen Verbesserung beitragen und sie entsprechend zu nutzen, ohne dabei dogmatisch zu sein, da jedes Pferd anders ist und eine individuell angepasste Ausbildung benötigt. Es gilt also zu erkennen, wie man dem Pferd helfen und es fördern kann, ohne sich dabei zu früh auf das gewünschte Endziel zu fokussieren und dabei offen und kreativ mit dem Partner Pferd zusammen zu arbeiten um ein möglichst vielseitig ausgebildetes Pferd zu schulen.